Humanistische Psychotherapie

Die humanistischen Therapieformen gelten als die „Vierte Therapieform“ neben Analyse, Verhaltenstherapie und Gesprächstherapie. Es gibt verschiedene Richtungen, Methoden und Ansätze der humanistischen Psycho- oder Körpertherapie. Diese vermischen sich ständig (auch mit anderen Therapieformen) und lernen voneinander. Heute verwendet praktisch kein Therapeut mehr „rein“ eine bestimmte Methode. Nahezu jeder Therapeut wird von mehreren Richtungen gelernt haben, und wird im Laufe der Zeit seinen persönlichen Stil entwickeln aus allem, was er erlebt hat. So ist ein lebendiges und vielseitiges System von flexiblen, praxisnahen Konzepten entstanden.

Die humanistische Therapie schafft die Möglichkeit zur Entfaltung des einzelnen aus seinen eigenen inneren Kräften heraus. Gleichzeitig wird er als Teil der Gemeinschaft transformierend auf diese einwirken. Wenn der einzelne freier wird, so wird sich auch das System, in dem er lebt, wandeln.
Veraltete Muster von richtig und falsch, gut und böse, möglich und unmöglich, werden hinter sich gelassen, und mehr und mehr werden eigene Regeln gelebt, die gemeinsam mit anderen neue Freiräume erschließen. 

Die humanistischen Therapien gehen nach A. Maslow (1985) davon aus, dass es in jedem Menschen neben den unmittelbaren biologischen „Mangelbedürfnissen“ (nach Sauerstoff, Nahrung, Körperkontakt, dem biologischen Geschlechtstrieb) „höhere“ Bedürfnisse (nach Sinnhaftigkeit des Lebens, Selbstverwirklichung, Liebe, Kreativität, Engagement für die Gemeinschaft) gibt. Das menschliche Potential entfaltet sich jedoch nur dann verlässlich, wenn die Grundbedürfnisse in der frühen Kindheit angemessen befriedigt wurden oder in späteren Situationen als zu befriedigend erlebt werden. Ist dies nicht der Fall, so ist der Betreffende sein ganzes Leben lang an unerfüllte Grundbedürfnisse und auf seine Wut über frühe Mangelzustände fixiert.

Eine Grundaufgabe der humanistischen Therapie ist es, eine heilsame Beziehung aufzubauen, wodurch eine Entwicklung stattfinden kann und Lösung aus alten Fixierungen und Mustern. Dadurch wird Kreativität entfaltet, und die in der Fixierung gebundene Energie kann für die Gestaltung eines sinnhaften, selbstbestimmten und erfüllten Lebens genutzt werden.

In humanistischen Therapien wird weniger auf Behebung von Symptomen oder gar auf die vermeintlich notwendige Anpassung an allgemeine Normen geachtet, sondern es wird mehr Wert auf die individuelle Entfaltung gelegt und die Entwicklung des innewohnenden Potentials zum Empfinden von Glück und für erfüllte Begegnungen mit anderen. Krankheit und psychisches Leiden erweisen sich ja oft gerade als Zeichen dafür, dass die Person ihre eigenen, innewohnenden Möglichkeiten und Fähigkeiten fremden, von außen übergestülpten Vorstellungen zuliebe unterdrücken musste. (Büntig 1990)

Gemeinsamkeiten der humanistischen Therapieformen sind u.a…
…die Erfahrung, dass es tief in uns eine echte Lebendigkeit gibt, die befreit werden kann;

…die Arbeit mit dem Körper als Ort der Gefühle;

…das Bemühen, Unbewusstes bewusst zu machen;

…die Förderung von Bewusstheit und Ehrlichkeit;

…die Möglichkeit direkter, persönlicher Begegnung auch mit dem Therapeuten als Teil des Therapieprozesses

…die Konzentration auf die ganze Person, die Integration von Körper und Psyche, Emotion und Beziehung, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft;

…die Aufmerksamkeit mehr auf Erleben, Durchleben und Neugestalten richten, als auf verstandesmäßiges Begreifen, Deuten und Interpretieren;

…das Bemühen, in der therapeutischen Situation von vorn herein die liebevolle, wertschätzende Beziehung herzustellen, die gleichzeitig heilend und das Ziel des Heilungsprozesses ist;

…das Experimentieren mit ungewohnten oder normalerweise eher vermiedenen Erfahrungen;

…die Offenheit für transzendente, transrationale Erfahrungen und außergewöhnliche Bewusstseinszustände;

…die Förderung höherer menschlicher Fähigkeiten, wie Liebe und Lebendigkeit, Kreativität und Spontanität, Kritikvermögen und Entscheidungsfähigkeit, Verantwortung und Hingabe, Stille und Freude am Spiel, Selbstbehauptung und Begegnung, Unbestechlichkeit und Präsenz;

…ein Bewusstsein über die Wechselbeziehung zwischen persönlicher Entfaltung, verantwortlicher Zwischenmenschlichkeit und gesellschaftlicher Umgestaltung;

…Ablehnung von Stigmatisierung, Etikettierung und Pathologisierung, sowie von Machtausübung, Manipulation und Gewalt;

…der Optimismus, dass der Mensch in Freiheit leben kann und dass das Glück des einen nicht auf dem Unglück des anderen gebaut sein muss;

…ein kritisches Bewusstsein über die massenhafte Pathologie der Normalität.

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